Die Strukturtypen Cadmiumchlorid und Cadmiumiodid

Elementarzelle des Cadmiumchlorid-Strukturtyps Elementarzelle des Cadmiumiodid-Strukturtyps

Bild 1

Der Cadmiumchlorid–Strukturtyp und der Cadmiumiodid–Strukturtyp sind 2 sehr ähnlich aufgebaute Kristalltrukturtypen. Deshalb schreibe ich hier über beide gleichzeitig. Beide sind zwar nicht allzu häufig, aber einfach und übersichtlich, außerdem grundlegend für das Verständnis von Kristallstrukturen.

Bild 1 : Zuerst eine Elementarzelle des Cadmiumchlorid–Strukturtyps, dann ein entsprechender Ausschnitt des Cadmiumiodid–Typs. Dieser Ausschnitt ist wesentlich größer als eine Elementarzelle (3 mal so groß), zeigt aber deutlich die Analogien zwischen den beiden Typen. Die violetten Kugeln stehen für Cadmium–Ionen, die grünen für Chlorid–Ionen und die pinkfarbenen für Iodid–Ionen. Die Chlorid–Ionen sind zur besseren Übersicht auf zwei Drittel ihrer Größe verkleinert, die Iodid–Ionen auf die Hälfte.

Ansehen : Sehen Sie die beiden Strukturtypen in je einer Jsmol–Visualisierung an. Cadmiumchlorid – Cadmiumiodid

Inhalt dieser Seite

Beschreibung

Im Cadmiumchlorid–Typ bilden die Chlorionen eine kubisch dichteste Kugelpackung (=kubisch flächenzentrierte Packung), und im Cadmiumiodid–Typ bilden die Iodionen eine hexagonal dichteste Kugelpackung. Bei beiden Typen besetzen die Cadmiumionen die Hälfte der Oktaederlücken.

Die Chlorionen

dichteste Kugelpackung im Cadmiumchlorid-Strukturtyp

Bild 2 : Ausschnitt von 3 nebeneinander liegenden Elementarzellen des Cadmiumchlorid–Typs. Mehr Info im Text.

kubisch dichteste Packung – In Bild 1 sind nur wenige Chlorionen zu sehen, und man ahnt mehr als man es sieht, dass hier eine kubisch dichteste Kugelpackung vorliegt. Bild 2 zeigt 3 Elementarzellen (und oben eine kleine Zugabe). Die Ansicht ist nicht leicht schräg wie auf den meisten anderen Bildern, sondern exakt von der Seite. So sind die Schichten der Chlorionen deutlich zu erkennen, dazu ihre gegenseitige Lage. Sie sehen 7 Schichten von Chlorionen. Die zweite und die fünfte Schicht enthalten auch nicht mehr Chlorionen als die anderen, es sind nur mehr zu sehen, denn hier liegen die Ionen direkt auf den Kanten der Elementarzelle, und ein Ion, das auf der vorderen Kante liegt, wird auf der hinteren, der linken und der rechten wiederholt. In den anderen Schichten liegen die Ionen im Innern der Elementarzelle, und es sind pro Schicht in den 3 Elementarzellen je 3 Chlorionen zu sehen.

Wichtiger ist, dass sich der Schichtaufbau nach 3 Schichten wiederholt. Die erste liegt direkt oberhalb der vierten (und der siebten) Schicht, die zweite über der fünften, die dritte genau über der sechsten. Und genau das ist ja das Kennzeichen der kubisch dichtesten Kugelpackung.

Würfel im Cadmiumchlorid-Strukturtyp

Bild 3 : Würfel aus Chlorionen im Cadmiumchlorid–Typ. Mehr Info im Text.

Würfel – In der kubisch dichtesten Packung erwartet man natürlich einen Würfel, und ich habe schon gezeigt, wo er verborgen ist. Man kann auch im Cadmiumchlorid–Typ Würfel finden. In Bild 3 sehen Sie einen.

Da es die Chlorionen sind, die eine kubisch dichteste (kubisch flächenzentrierte) Packung bilden, müssen alle Würfelecken und alle Flächenmittelpunkte Chlorionen sein. Um den Würfel besser erkennen zu können, habe ich die grün gezeichneten Chlorionen in ihrer Farbe verändert. Alle 8 Würfelecken und die 12 Würfelkanten habe ich blau markiert, die 6 Flächenmittelpunkte gelb. In Bild 3 sehen Sie, dass er sich über 4 Schichten der Packung aus Chlorionen erstreckt. Seine Raumdiagonale steht senkrecht auf den Schichten.

In der Jsmol–Visualisierung können Sie ihn noch genauer erforschen. Blenden Sie zum Beispiel die Cadmiumionen aus und drehen Sie ihn in eine günstige Position (zum Beispiel Position 1 – dort sehen Sie den Würfel gut, die Schichten aus Chlorionen aber nicht mehr). Übrigens gibt es in der Packung der Chlorionen unzählige solcher Würfel wie in Bild 3 – es ist ja eine kubisch dichteste Packung.

Die Iodionen

dichteste Kugelpackung im Cadmiumiodid-Strukturtyp

Bild 4 : Ausschnitt von 3 x 3 Elementarzellen des Cadmiumiodid–Typs. Mehr Info im Text.

hexagonal dichteste Packung – In Bild 1 sind nur wenige Iodionen zu sehen, und man ahnt mehr als man es sieht, dass hier eine hexagonal dichteste Kugelpackung vorliegt. Bild 4 zeigt 3 x 3 Elementarzellen. Die Ansicht ist nicht leicht schräg wie auf den meisten anderen Bildern, sondern exakt von der Seite. So sind die Schichten der Iodionen deutlich zu erkennen, dazu ihre gegenseitige Lage. Sie sehen 6 Schichten von Iodionen. Die dritte Schicht liegt direkt oberhalb der ersten Schicht, ebenso die fünfte. Genauso liegen die zweite, vierte und sechste Schicht exakt übereinander. Kurz gesagt, die Schichtenfolge wiederholt sich nach 2 Schichten, wie es ja das Kennzeichen der hexagonal dichtesten Kugelpackung ist.

 

Die Cadmiumionen

Oktaederlücken in der kubisch dichtesten Kugelpackung Oktaederlücken in der hexagonal dichtesten Kugelpackung

Bild 5 : Oktaederlücken in der kubisch und der hexagonal dichtesten Kugelpackung. Mehr Info im Text.

Welche Hälfte ? – Sowohl im Cadmiumchlorid–Strukturtyp als auch im Cadmiumiodid–Typ besetzen die Cadmiumionen die Hälfte der Oktaederlücken. Da steht natürlich gleich die Frage im Raum : Welche Hälfte ?

Um die Situation besser verstehen zu können, sehen wir uns noch einmal die Lage der Oktaederlücken in der kubisch und der hexagonal dichtesten Kugelpackung an. Bild 5 zeigt jeweils 3 Schichten der kubisch dichtesten Packung (Kugeln braun gezeichnet) und der hexagonal dichtesten Packung (Kugeln blau). Die Oktaederlücken, die an eine bestimmte Kugel grenzen (sie ist dunkelblau gezeichnet) liegen oberhalb und unterhalb der Kugel. Sie sind als grüne Kugeln markiert. Die Oktaederlücken der in derselben Schicht benachbarten Atome liegen neben den schon gezeichneten Oktaederlücken. Sie sehen, dass die Oktaederlücken auch Schichten bilden. Die Schichten der Oktaederlücken liegen zwischen den Schichten der Kugeln.

Sowohl die Kugeln der Kugelpackung (das sind hier die Chlorionen und die Iodionen) als auch die Oktaederlücken bilden also Schichten. Wenn Sie sich jetzt noch einmal Bild 2 und 4 ansehen, wird deutlich, dass zwischen den Schichten der Chlor– oder Iodionen abwechselnd eine Schicht liegt, die aus Cadmiumionen besteht, und eine Schicht, die leer ist, also keine Ionen enthält.

Die Frage „Welche Hälfte ?” hat nun die Antwort „schichtweise abwechselnd”. Oder in Langform : Jede zweite Schicht der Oktaederlücken ist von Cadmiumionen besetzt, jede zweite bleibt leer.

Bilden die Cadmiumionen auch eine Packung ? – Zum Cadmiumchlorid–Typ können Sie sich dazu Bild 2 ansehen. Ganz unten im Bild ist eine Schicht Cadmiumionen (violett gezeichnet). Ein Stück darüber (etwa bei einem Drittel Bildhöhe) liegt die nächste Schicht Cadmiumionen. Wir sehen von ihr 3 Ionen, und sie ist gegenüber der unteren Schicht ein wenig verschoben. Noch etwas höher finden wir die nächste Schicht Cadmiumionen, wieder gegenüber der vorigen etwas verschoben. Und ganz oben im Bild ist eine vierte Schicht Cadmiumionen, genau über der ersten. War das nicht eben die Beschreibung der kubisch dichtesten Kugelpackung ? Nicht ganz, denn die Schichten der Cadmiumionen liegen zu weit auseinander, um die Packung „dichtest” nennen zu können. Und wegen der großen Abstände der Cadmium–Schichten kann man auch keinen Würfel mehr darin finden – man nennt eine solche Packung tetragonal.

Zum Cadmiumiodid–Typ sehen Sie sich Bild 4 an. Die Schichten der Cadmiumionen liegen genau übereinander, so wie auch in Bild 5 die Oktaederlücken in der hexagonal dichtesten Packung genau übereinander liegen. Man kann eine solche Packung hexagonal primitiv nennen.

Turm und Würfel

Als ich diese Seite geschrieben habe und mir die Bilder angesehen habe, sind bei mir 2 Fragen aufgetaucht.

Ausschnitt aus dem Cadmiumchlorid-Strukturtyp

Bild 6 : Ausschnitt einer Elementarzelle des Cadmiumchlorid–Typs mit Benennung der Schichten. Mehr Info im Text.

Die Turmfrage – Warum ist die Elementarzelle des Cadmiumchlorid–Typs schmal und hoch wie ein Turm, und nicht eher kompakt wie viele andere Elementarzellen ?

Dazu habe ich die Schichten der Chlorionen benannt. Die unterste habe ich, wie in der Kristallographie üblich, A genannt, und dann weiter im Alphabet. Da die vierte Schicht genau über der ersten Schicht liegt, heißt sie wieder A. Ich erhalte die Schichtenfolge (von unten) ABCABC. Solange ich nur die Chlorionen betrachte, würde die Hälfte reichen, einmal ABC ist genug. Wären nur Chlorionen in der Elementarzelle, wäre sie also nur halb so hoch und damit recht kompakt. Sie sehen die Situation in Bild 6.

Es sind aber noch die Cadmiumionen da. Deren Schichten habe ich ähnlich benannt. Die Schichten, in denen tatsächlich Cadmiumionen sind, haben Kleinbuchstaben bekommen, die, in denen sie fehlen, eingeklammerte Kleinbuchstaben (Bild 6). Durch dieses abwechselnde Vorhandensein und Fehlen braucht man 6 Schichten, bis sich das Muster wiederholt, und die Elementarzelle wird zum Turm.

 

würfelförmiger Ausschnitt aus dem Cadmiumchlorid-Strukturtyp

Bild 7 : würfelförmiger Ausschnitt des Cadmiumchlorid–Typs. Er ist keine Elementarzelle.

Ausschnitt aus dem Cadmiumchlorid-Strukturtyp

Bild 8 : etwas größerer Ausschnitt des Cadmiumchlorid–Typs als in Bild 7. Er wäre schon fast eine Elementarzelle. Mehr Info im Text.

Die Würfelfrage – Ich habe schon über andere Strukturtypen geschrieben, die wie der Cadmiumchlorid–Typ auf der kubisch dichtesten Kugelpackung aufbauen (Natriumchlorid–, Fluorit– und Zinkblende–Typ). Alle haben eine würfelförmige Elementarzelle, in der eine Ionensorte eine kubisch flächenzentrierte Anordnung besitzt. Warum ist das hier nicht so ?

Zur Antwort kann man sich überlegen, was man schon weiß. Die Chlorionen bilden eine kubisch dichteste Packung. Man kann ganz sicher aus ihnen einen flächenzentrierten Würfel bilden. Also werden wohl die Cadmiumionen Probleme machen. Ich will diese Vermutung aber nicht einfach so als richtig hinstellen, sondern ich werde sie beweisen.

Dazu habe ich den Würfel, der in Bild 3 noch etwas verdeckt ist, aus seiner Umgebung herauspräpariert. In Bild 7 können Sie ihn sehen. Er taugt nicht als Elementarzelle. Der gesamte Kristall entsteht, indem man die Elementarzelle in alle 3 Richtungen des Raumes aneinanderreiht. Wäre dieser Würfel eine Elementarzelle, wäre seine rechte Seite die linke Seite der folgenden Elementarzelle, und die beiden müssten gleich sein. Sind sie aber nicht. Die Cadmiumionen sitzen an anderen Stellen. Man kann aus ihm den Kristall nicht zusammensetzen. In den anderen beiden Raumrichtungen (nach oben und nach hinten) ergibt sich dasselbe Bild. Dieser Würfel kann nicht die Elementarzelle des Cadmiumchlorid–Strukturtyps sein.

Dann habe ich einen größeren Ausschnitt des Kristalls, nämlich 2 x 2 Würfel von eben, betrachtet. Sie sehen ihn in Bild 8. Die rechte Seite des Ausschnitts ist gleich der linken Seite. Sowohl Chlor– als auch Cadmiumionen sitzen an denselben Stellen. Dasselbe gilt für Ober– und Unterseite. Vorder– und Rückseite sind noch verschieden, aber in diese Richtung habe ich den Ausschnitt auch nicht verdoppelt. Es wäre im Bild zu unübersichtlich geworden. Hätte ich es gemacht, so hätte ich einen Ausschnitt erhalten, der 8 mal so groß wie der in Bild 7 ist. Diesen Ausschnitt könnte man eigentlich als Elementarzelle verwenden, denn aus ihm kann man den gesamten Kristall durch Aneinanderreihung zusammensetzen. „Eigentlich” steht da, denn in der Kristallographie gilt die Regel, dass eine Elementarzelle möglichst klein sein soll, und dann kommt man zu der turmförmigen Zelle aus Bild 1 und Bild 6.

Sie können das Freilegen der beiden Ausschnitte auch in einer Jsmol–Visualisierung interaktiv erleben.

Koordination

Oktaederlücken in der kubisch dichtesten Packung

Bild 9 : 6 Kugeln aus zwei Schichten einer dichtesten Kugel­packung bilden eine Oktaederlücke. Die Kugeln stehen hier für die Chlor– oder Iodionen.

Die Cadmiumionen

Die Cadmiumionen befinden sich in Oktaederlücken, entweder in denen der kubisch dichtesten Kugelpackung (beim Cadmiumchlorid–Typ) oder in denen der hexagonal dichtesten Packung (im Cadmiumiodid–Typ). Sie sind also oktaedrisch von 6 Chlor– oder Iodionen umgeben. Bild 9 zeigt, wie sich (in der kubisch und in der hexagonal dichtesten Packung gleichermaßen) eine Oktaederlücke bildet. Die 6 markierten Kugeln sind die Ecken des Oktaeders, und die winzig kleine weiße Kugel in seiner Mitte ist die Stelle der Oktaederlücke. Dort befindet sich das Cadmiumion.

Die Chlor– und die Iodionen

Die Cadmiumionen besetzen die Hälfte der Oktaederlücken in den Packungen der Chlor– und der Iodionen, schichtweise abwechselnd. Wir betrachten also die Anordnung dieser Lücken. Bild 5 zeigt sie. Die Oktaederlücken befinden sich in der kubisch dichtesten Packung in der Form eines Oktaeders um die gegebene Kugel, bei der hexagonal dichtesten Packung in Form eines trigonalen (dreiseitigen) Prismas). Da nur die Hälfte der Lücken besetzt sind, und dies schichtweise, sind immer 3 Lücken auf der einen Seite der Chlor– oder Iodionen besetzt. Diese bilden, Sie sehen es in Bild 5, ein gleichseitges Dreieck.

Die Cadmiumionen sind oktaedrisch von den 6 Halogenionen umgeben. Die Halogenatome haben 3 Cadmiumionen als Dreieck als Nachbarn.

 

gleichionige Nachbarn

Nachbarn der Halogenionen Nachbarn der Cadmiumionen

Bild 10 : Zuerst ein Iodion und die ihm am nächsten liegenden Iodionen, dann ein Cadmiumion und die ihm am nächsten liegenden Cadmiumionen, jeweils im Cadmiumiodid–Typ.

In den vorigen Abschnitten haben wir untersucht, wieviele Halogenionen die nächsten Nachbarn der Cadmiumionen sind, und umgekehrt. Jetzt fragen wir, wieviele gleiche Ionen ein gegebenes Ion als nächste Nachbarn hat. Das heißt, es geht darum, wieviele Cadmiumionen möglichst nah an einem gegebenen Cadmiumion liegen, und analog für die Chlor– und Iodionen.

Die Halogenionen – Die Antwort sollte nicht wirklich überraschen. Die Chlor– und die Iodionen bilden jeweils eine dichteste Kugelpackung. Sowohl in der kubisch als auch in der hexagonal dichtesten Packung hat eine gegebene Kugel 12 Nachbarn. 6 davon liegen in derselben Ebene wie diese Kugel, 3 in einer Ebene darüber und weitere 3 in einer Ebene darunter. Jedes Halogenion hat also 12 gleiche Halogenionen als Nachbarn. In Bild 10a sehen Sie sie. Ein Iodion ist blau gezeichnet. Die 12 Iodionen, die ihm am nächsten liegen, sind gelb gezeichnet. Die Abstände vom blauen zu den gelben Ionen sind alle gleichlang und erscheinen nur durch die perspektivische Verkürzung unterschiedlich. Bild 10a zeigt den Cadmiumiodid–Typ, aber im Cadmiumchlorid–Typ ist die Situation genauso, denn auch dort bilden die Chlorionen eine dichteste Kugelpackung.

Die Cadmiumionen – Auch hier ist die Lage übersichtlich. Die Cadmiumionen besetzen in beiden Strukturtypen die Hälfte der Oktaederlücken, schichtweise abwechselnd. Rund um ein Cadmiumion befinden sich in der gleichen Schicht 6 weitere Cadmiumionen. In den beiden Schichten darüber und darunter sind keine Cadmiumionen. Jedes Cadmiumion hat also 6 Cadmiumionen als Nachbarn. Bild 10b zeigt die Situation. Ein Cadmiumion ist grün gezeichnet, die 6 darum liegenden türkis. Die weiter oben und unten in den nächsten besetzten Schichten liegenden Cadmiumionen sind zu weit entfernt, um Nachbarn sein zu können. Ihr geringster Abstand zum grünen Cadmiumion beträgt 686 pm, der Abstand zwischen grünen und türkisfarbenen Ionen nur 424 pm.

Sehen Sie sich die gleichionigen Nachbarn in einer Jsmol–Visualisierung im Cadmiumiodid–Typ an.

 

Eine andere Sichtweise – Netzwerk

Oktaeder um ein Cadmiumion 3 Oktaeder um Cadmiumionen 3 Oktaeder um Cadmiumionen 9 Oktaeder um Cadmiumionen Schichten aus Oktaedern

Bild 11 : Netzwerk aus Oktaedern im Cadmiumiodid–Typ. Mehr Info im Text.

Weiter oben habe ich gesagt, dass in beiden Strukturtypen jedes Cadmiumion oktaedrisch von 6 Halogenionen (Chlor– oder Iodionen) umgeben ist. Bisher haben wir aber noch keinen dieser Oktaeder gesehen. Das will ich jetzt nachholen, und zwar nur für den Cadmiumiodid–Typ. Über den Cadmiumchlorid–Typ sage ich am Ende etwas.

Bild 11 zeigt den Aufbau des Netzwerks. Zu Beginn (Bild 11a) sehen Sie eine Schicht von Cadmiumionen, und eines ist von einem Oktaeder (gelb gezeichnet) umgeben. An den Ecken des Oktaeders sind Iodionen, die ich zur besseren Übersicht weggelassen habe. Es fällt auf, dass der Oktaeder nicht aufrecht auf einer Ecke steht, so wie man Oktaeder meist abgebildet sieht, sondern dass er auf einer seiner Flächen liegt. Das sollte Sie aber nicht überraschen, denn in beiden dichtesten Kugelpackungen liegen die Oktaederlücken eben so – flach auf einer Seite, wenn man seitlich auf die Schichten blickt.

Die Bilder 11b und 11c zeigen 2 weitere Oktaeder. Ich habe sie blau gezeichnet. Bild 11b ist aus derselben Richtung gesehen wie Bild 11a. Man sieht hier, dass die beiden neuen Oktaeder Nachbarn des ersten sind und in derselben Schicht liegen. Dreht man die Szene ein wenig, erhält man Bild 11c. Die Schichten sind kaum noch erkennbar, aber jetzt sieht man deutlich, dass 2 benachbarte Oktaeder immer eine Kante gemeinsam haben.

In Bild 11d sind noch 6 Oktaeder hinzugekommen (orangebraun gezeichnet). Aus der passenden Richtung betrachtet, sieht man, dass der gelbe Oktaeder von 6 anderen Oktaedern umgeben ist. Er hat mit diesen immer eine Kante gemeinsam. Das vollständige Netzwerk aus Oktaedern schließlich sehen wir in Bild 11e. Die Oktaeder bilden Schichten, entsprechend den Schichten der Cadmiumionen. Alle Oktaeder haben die gleiche Richtung, und jeder Oktaeder ist über 6 Kanten mit 6 anderen Oktaedern verbunden. Die Iodionen habe ich in Bild 11e wieder ganz klein mitgezeichnet. Sie sind natürlich an den Oktaederecken.

Im Cadmiumchlorid–Typ sind die Oktaeder, wenn man eine Schicht isoliert betrachtet, genauso angeordnet wie im Cadmiumiodid–Typ. Das überrascht nicht, denn in beiden dichtesten Kugelpackungen entstehen die Oktaederlücken auf dieselbe Art. Betrachtet man mehrere Schichten, so sind im Cadmiumchlorid–Typ benachbarte Schichten gegenüber dem Cadmiumiodid–Typ etwas verschoben. Auch das überrascht nicht, denn in der kubisch dichtesten Packung weicht die Schichtenfolge der Kugeln von der in der hexagonal dichtesten Packung ab, und somit auch die relative Lage der Oktaederlücken.

Cadmiumchlorid– und Cadmiumiodid–Strukturtyp bilden Schichten von Oktaedern.
Cd–Ionen sind im Zentrum, Halogenionen an den Ecken.
Jeder Oktaeder berührt 6 andere.
Die Oktaeder sind kantenverknüpft.
Alle Oktaeder haben die gleiche Ausrichtung.

Sehen Sie sich das Netzwerk aus Oktaedern in einer Jsmol–Visualisierung im Cadmiumiodid–Typ an.

 

Stabilität der beiden Strukturtypen

Sehen Sie sich Bild 2 oder Bild 4 (oder eines der anderen) noch einmal an, fällt auf, dass Schichten aus Chlorid– oder Iodid–Ionen aneinander grenzen. Oder um es ganz deutlich zu sagen : Schichten aus negativ geladenen Halogenionen grenzen aneinander, die sich eigentlich abstoßen müssten. Eigentlich dürfte sich solch ein Kristall gar nicht bilden, und wenn er doch da wäre, müsste er sofort auseinanderfallen. Tut er aber nicht. Die Frage ist, warum ?

Kräfte im Cadmiumchlorid-Kristall Kräfte im Cadmiumchlorid-Kristall Kräfte im Cadmiumchlorid-Kristall

Bild 12 : Ladungsverteilung im Cadmiumchlorid–Kristall –
12a : naive Sichtweise mit vollen Ladungen –
12b : Berücksichtigung der Polarität der Bindungen –
12c : Berücksichtigung der induzierten Dipole –
Die Farbskala gibt die Stärke der Ladungen an und gilt für alle Bildteile.

Elektronegativität und geringere Abstoßung – Eine eher naive Sichtweise ist es, wie in Bild 12a anzunehmen, dass zweifach positiv geladene Cadmiumionen (Cd2+) und einfach negativ geladene Halogenionen (Cl und I) vorhanden seien.

Eine bessere Beschreibung gelingt mit dem Modell der polaren Bindungen, also mit Bindungen, die in ihrem Charakter zwischen der Ionenbindung und der kovalenten Bindung liegen. Cadmium hat eine Elektronegativität von 1,69, Chlor eine von 3,16. Die Differenz der beiden Werte ist 1,47, der daraus berechnete ionische Anteil der Bindung etwa 42 %. Im Cadmiumiodid ist die Bindung noch weniger ionisch. Bild 12b zeigt die Situation, die das Modell beschreibt : Die Halogenionen tragen im zeitlichen Mittel nur ungefähr eine halbe negative Ladung. Die Abstoßungskräfte zwischen ihnen sind also nur noch ein Viertel (Begründung – Gesetz von Coulomb) so stark wie bei ganzen Ladungen.

Und was erklärt das ? Zwischen den Schichten aus Halogenionen herrschen immer noch elektrische Abstoßungskräfte, und auch wenn sie viel schwächer sind als eben noch gedacht, müsste der Kristall auseinanderfallen. Die Argumente von eben können also nur der erste Teil einer Erklärung sein.

London–Kräfte und Anziehung – Statisch betrachtet, sieht die Situation nun so aus : Ein Halogenion, dass eine negative Teilladung trägt, berührt ein anderes Halogenion, dass eine genauso große negative Teilladung trägt. Aber was ist schon statisch auf der Welt ? Näher an der Realität ist ein dynamisches Modell (Bild 12c). Es besagt, dass sich die Bindungselektronen (der Bindung vom ersten Halogenion zu seinem Cadmiumion) bewegen. Mal sind sie näher am Halogenion, mal näher am Cadmiumion.

Im oberen Teil von Bild 12c sind sie gerade näher am (linken) Cadmiumion. Folglich ist im Bereich A des Halogenions kurzzeitig eine negative Teilladung (rötlicher Ton im Bild). Im Bereich B sind die Bindungselektronen grade mal weg, und dort ist eine, wenn auch geringe, positive Teilladung (bläulicher Ton). Dadurch wirken Anziehungskräfte zwischen diesem Halogenion und seinem Nachbar–Halogenion. Und es passiert noch mehr. Die positive Teilladung in Bereich B beeinflusst die Bindungselektronen in Bereich C des Nachbarn. Sie zieht sie an. In Bereich C bildet sich also eine stärkere negative Teilladung aus, und entsprechend in Bereich D eine positive Teilladung. Dieser Vorgang ist die Bildung eines induzierten Dipols.

Der untere Teil von Bild 12c zeigt die Situation kurze Zeit später. Die Bindungselektronen (der ersten Bindung) sind nun im Bereich B. Dort ist jetzt eine negative Teilladung, und diese beeinflusst die Bindungselektronen am zweiten Halogenion. Sie stößt sie ab. Im Bereich C bildet sich so eine positive Teilladung. Zwischen ihr und der negativen Teilladung im Bereich B wirken Anziehungskräfte.

Die dynamischen Vorgänge, die ich eben beschrieben habe, heißen London–Kräfte oder Dispersionskräfte. Sie bewirken die Anziehung zwischen den beiden Halogenionen. Wir haben den Zusammenhalt des Kristalls erklärt. Er beruht auf den London–Kräften.

Stark oder schwach – Die Dispersionskräfte gehören zu den schwächsten Kräften, die zwischen den kleinsten Teilchen wirken. Jedoch sind sie zwischen größeren Teilchen stärker als zwischen kleinen, und die Chlorionen sind schon relativ groß (die Iodionen noch größer). Jedenfalls reichen sie aus, um den Zusammenhalt des Kristalls zu bewirken. Aber allzu stark ist er nicht. Es wird leicht sein, den Kristall zwischen den Schichten der Halogenionen zu trennen. Man sollte mit eher niedrigen Schmelzpunkten rechnen und mit einer geringen Härte.

 

Vorkommen

Wenn wir den vorigen Abschnitt bedenken, brauchen wir bei Ionenverbindungen (das sind solche, deren Eigenschaften sich gut mit dem Modell der Ionenbindung erklären lassen) gar nicht zu suchen. Also keine Fluoride, keine Oxide von Metallen. Eine Voraussetzung zur Bildung eines der beiden Strukturtypen sind polare Bindungen. Solche finden wir zum Beispiel bei den Chloriden, Bromiden und Iodiden von Nebengruppenmetallen.

Tabelle 1 : Beispiele von Stoffen mit einem der beiden Strukturtypen
Stoff Ionencharakter
der Bindung
in Prozent
Quotient der
Ionenradien
   Cadmiumchlorid–Typ
CdCl2 42 0,653
MgCl2 57 0,515
FeCl2 36 0,551
CdBr2 33 0,599
   Cadmiumiodid–Typ
CdI2 21 0,529
MgBr2 49 0,473
FeBr2 27 0,505
MnI2 27 0,471
SnS2 09 0,488
   Anti–Cadmiumchlorid–Typ
Cs2O 83 0,696
   Anti–Cadmiumiodid–Typ
Ag2O 43 1,105

Bei den beiden Anti–Typen sind Kationen und Anionen gegenüber den normalen Typen vertauscht. Die Kationen (Cäsium und Silber) bilden die dichteste Kugelpackung, und die Anionen (Sauerstoff) besetzen Oktaederlücken.

Der Ionencharakter der Bindungen wurde nach der Formel von Pauling als Ionenanteil = 1–exp(–(ΔEN)2/4) berechnet. Dabei ist ΔEN die Differenz der Elektronegativitäten der beiden Elemente nach Pauling und exp die Exponentialfunktion. In allen Stoffen der Tabelle haben die Bindungen einen Ionenanteil von etwa der Hälfte oder weniger, von einem Ausreißer abgesehen.

Cäsiumoxid hat, so scheint es nach der Tabelle, eine fast reine Ionenbindung, und man kann sich nur schwer vorstellen, wie, entsprechend dem vorigen Abschnitt, die Cäsiumionen allein durch London–Kräfte zusammen gehalten werden. Es wurde vermutet, dass zwischen den direkt benachbarten Cäsiumschichten eine metallische Bindung vorliegt, aber gesichert ist das nicht. Sicher ist dagegen, dass der Zusammenhalt zwischen diesen Schichten nur schwach ist. Daher ist Cäsiumoxid (Cs2O) nicht allzu stabil und oxidiert leicht zu Cs2O2 und CsO2.

Obwohl in den Stoffen der Tabelle keine Ionenbindung vorliegt, habe ich den Quotient der Ionenradien angegeben. Man sollte ihn als grobe, ungefähre Richtschnur für den Platzbedarf der Teilchen ansehen, nicht als exaktes Maß. Es ist immer das Verhältnis der Teilchen in den Oktaederlücken zu denen, die die Kugelpackung bilden, angegeben.

Für ein Teilchen, dass eine Oktaederlücke exakt ausfüllt, ergibt sich ein Radienquotient von 0,414. Wie zu erwarten, sind alle Quotienten größer. Die Teilchen in den Okatederlücken sind also größer als die Lücke selbst, und die Teilchen der Packung müssen etwas auseinanderrücken. Sie berühren sich nicht mehr und stoßen sich nicht ab (jedenfalls die in der gleichen Schicht).

 

Beispiele

In den Bildern dieses Abschnitts sind alle Ionen auf zwei Drittel ihrer Größe verkleinert.

Cadmiumchlorid–Typ

Ausschnitt aus dem Cadmiumchlorid-Kristall

Cadmiumchlorid (CdCl2)

Steckbrief Cadmiumchlorid

 

Ausschnitt aus dem Eisenchlorid-Kristall

Eisen–II–chlorid (FeCl2)

Steckbrief Eisen–II–chlorid

 

Ausschnitt aus dem Cäsiumoxid-Kristall

Cäsiumoxid (Cs2O)

Steckbrief Cäsiumoxid

 

Cadmiumiodid–Typ

Ausschnitt aus dem Cadmiumiodid-Kristall

Cadmiumiodid (CdI2)

Steckbrief Cadmiumiodid

 

Ausschnitt aus dem Eisenbromid-Kristall

Eisen–II–Bromid (FeBr2)

Steckbrief Eisen–II–bromid

 

Ausschnitt aus dem Zinnsulfid-Kristall

Zinn–IV–sulfid (SnS2)

Steckbrief Zinn–IV–sulfid

 

Blick nach draußen

Hier zeige ich einige Zusammenhänge zwischen den beiden Strukturtypen dieser Seite und anderen Strukturen auf.

Defekte – Im Cadmiumchlorid– und im Cadmiumiodid–Typ ist jeweils die Hälfte der Oktaederlücken besetzt. Gegenüber solchen Strukturen, bei denen alle Oktaederlücken besetzt sind, fehlt also etwas.

Im Natriumchlorid–Strukturtyp liegt eine kubisch dichteste Kugelpackung vor, und alle Oktaederlücken sind besetzt. Der Cadmiumchlorid–Typ ist eine Defektstruktur des Natriumchlorid–Typs.

Im NiAs–Strukturtyp liegt eine hexagonal dichteste Kugelpackung vor, und alle Oktaederlücken sind besetzt. Der Cadmiumiodid–Typ ist eine Defektstruktur des NiAs–Typs.

andere Hälfte – Im Cadmiumchlorid– und im Cadmiumiodid–Typ ist jeweils die Hälfte der Oktaederlücken besetzt, und zwar schichtweise abwechselnd. Natürlich kann man die besetzten Oktaederlücken auch anders (aus allen vorhandenen) auswählen und erhält andere Strukturtypen : epsilon–Eisennitrid (ε–Fe2N), Calciumchlorid (CaCl2), alpha–Bleidioxid (α–PbO2) oder Atacamit sind einige ihrer Namen.

anders stapeln – Im Cadmiumchlorid– und im Cadmiumiodid–Typ bilden die Anionen eine kubisch bzw. hexagonal dichteste Kugelpackung. Man kann die Schichten der Anionen auch anders stapeln, so dass sich trotzdem Oktaederlücken ergeben, die wieder zur Hälfte gefüllt werden. Ein Beispiel dafür ist MoS2–Typ – vielleicht später einmal mehr dazu.

 

Liste der Jsmol–Visualisierungen

 

 

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