24.7. Oxalsäure

Oxalsäure ist die einfachste Dicarbonsäure. Sie ist also eine Carbonsäure und gehört zur Klasse der organischen Verbindungen. Ihr systematischer Name ist Ethandisäure. Die Summenformel lautet C2H2O4. Man kann sie auch etwas ausführlicher als HOOC–COOH schreiben.

Strukturformel von Oxalsäure Oxalsäuremolekül

Bild 1 :
Strukturformel
von Oxalsäure

Bild 2 :
Oxalsäure–Molekül
Oxalsäuremolekül interaktiv

Ansehen : Starten Sie die JSmol–Visualisierung durch Anklicken des Links unter Bild 2. Betrachten Sie das Molekül von der Seite, um zu sehen, dass es eben ist. Drehen Sie die eine Hälfte des Moleküls 180 Grad um die C–C–Bindung.

24.7.1. Struktur

Das Molekül ist im festen Zustand (annähernd) eben. Im flüssigen und gasförmigen Zustand ist Drehung um die C–C–Bindung möglich. An beiden Kohlenstoffatomen ist es trigonal planar und an den Sauerstoffatomen gewinkelt.

24.7.2. Vorkommen und Wirkung

Oxalsäure (und Kaliumoxalat, ihr Kaliumsalz) sind in Spinat, den Stielen von Rhabarber, in Bambussprossen und im Kakao, außerdem in Klee und Sauerampfer in relativ großen Mengen, d. h. zu etwa 0,5 % enthalten. In den Blättern von Rhabarber kommt sie in noch größeren Mengen vor.

Rhabarberblätter

Bild 3 : Diese junge Rhabarberpflanze enthält schon eine Menge Oxalsäure.

Als in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg Menschen diese Blätter als Gemüse gegessen haben, kam es zu Todesfällen. Oxalsäure reagiert mit dem im Blut und den Zellen enthaltenen Calciumverbindungen zu unlöslichem Calciumoxalat und bringt so den Calciumstoffwechsel durcheinander. Isst man häufig oxalsäurereiche Lebensmittel, können Nierensteine auftreten.

24.7.3. Oxalsäure und Gesundheit

In diesem Abschnitt zeige ich die chemischen Hintergründe der Wirkung von Oxalsäure auf den Menschen auf. Ich gebe keine Gesundheitstipps. Bei diesbezüglichen Fragen wenden Sie sich bitte an einen Arzt oder Heilpraktiker.

In welchen Pflanzen kommt Oxalsäure vor ?

In diesem Abschnitt ist, entsprechend des Sprachgebrauchs in Biologie und Medizin, aber im Gegensatz zur chemischen Bezeichnungsweise, mit dem Wort „Oxalsäure” immer die Summe aus Oxalsäure und ihren Salzen, den Oxalaten, gemeint, da der im Körper wirksame Stoff das Oxalation ist, das in Oxalsäure und den Oxalaten gleichermaßen vorkommt.

In den folgenden beiden Tabellen werden Pflanzen genannt, die in Mitteleuropa verbreitet wachsen oder zur menschlichen Ernährung benutzt werden. In der ersten habe ich Pflanzen ausgewählt, die einen relativ hohen Gehalt an Oxalsäure und Oxalaten haben. In der zweiten ist eine kleine Auswahl an Pflanzen mit eher niedrigem Gehalt an Oxalsäure und Oxalaten vertreten. Natürlich sind die Tabellen unvollständig. Steht eine Pflanze nicht in den Tabellen, mache ich keine Aussage über den Oxalsäuregehalt.

Ist der Oxalsäuregehalt von Pflanzen konstant ?

Nein. Mehrere Faktoren beeinflussen den Oxalsäuregehalt.

Wie beeinflussen Oxalsäure und ihre Salze den menschlichen Stoffwechsel ?

Hier sollte man zwischen löslichen und unlöslichen Stoffen unterscheiden.

Calciumoxalat (das ist das Calciumsalz der Oxalsäure) ist unlöslich und beeinflusst den Stoffwechsel so gut wie gar nicht. In den Nahrungsmitteln mit hohem Gehalt an Oxalsäure und Oxalaten liegt oft mehr als die Hälfte des Oxalsäuregehalts in Form von unlöslichem Calciumoxalat vor.

Wirksam sind die Oxalsäure selbst und ihre löslichen Salze, in erster Linie das Kaliumoxalat, daneben auch Natriumoxalat, Magnesiumoxalat und Ammoniumoxalat. Nach der Nahrungsaufnahme werden diese Stoffe im Magen und im Darm resorbiert, das heißt, sie gehen erst ins Blut und von da in die Zellflüssigkeit über. Dort sind Calciumionen gelöst. Treffen Oxalationen und Calciumionen aufeinander, reagieren sie zu unlöslichem Calciumoxalat. Damit wird ein Teil der Calciumionen dem Stoffwechsel auf Dauer entzogen. Die Calciumionen können ihre Aufgaben nur noch zum Teil, bei hoher Oxalsäurezufuhr gar nicht mehr erfüllen.

Was sind die Aufgaben von Calciumionen im Körper ? Die wichtigste Aufgabe ist der Aufbau von Knochensubstanz. Eine kurzfristige Unterbrechung ist allerdings nicht allzu schlimm, der Knochenaufbau kann nachgeholt werden. Daneben spielen Calciumionen eine wichtige Rolle bei der Reizleitung in den Nerven. Ein Mangel an Calciumionen kann zu eingeschränkter Nervenfunktion führen, aber auch zu Dauererregung der Nerven. Die Symptome, die dann auftreten, reichen von Krämpfen über Herzschädigung bis zum Tod. Als tödliche Dosis werden 5 – 15 g Oxalsäure angegeben.

Der Körper kann Oxalsäure und Oxalate nicht abbauen (in andere Stoffe umwandeln), sondern muss sie ausscheiden. Die Ausscheidungskapazität ist jedoch beschränkt. Wird sie überschritten, bilden sich, besonders bei dafür veranlagten Personen, Nierensteine.

24.7.4. Verwendung

Man kann Oxalsäure benutzen, um Rostflecken zu entfernen. Das Prinzip veranschaulicht ein Schulversuch. Außerdem wird Oxalsäure zur Entfernung von Tintenflecken und als Hilfsmittel beim Eloxalverfahren gebraucht.

Imker benutzen Oxalsäure zur Bekämpfung der Varroamilbe, eines Parasiten der Honigbiene.

24.7.5. Physikalische Eigenschaften

Pinselstrich
Steckbrief Oxalsäure
Summenformel C2H2O4
Schmelzpunkt 189,5 °C
Dichte bei 17 °C 1,908 g/cm3
Löslichkeit bei 20 °C 90 g/l
pKa-Werte 1,27 und 4,28
Aussehen farblos, kristallin
CAS–Nr. 144–62–7
Pinselstrich

24.7.6. Die Kristallstruktur von Oxalsäure

Oxalsäure kristallisiert in 2 unterschiedlichen Modifikationen. Es sind α–Oxalsäure und β–Oxalsäure. Bei Raumtemperatur ist α–Oxalsäure die thermodynamisch stabile Modifikation, während β–Oxalsäure metastabil ist. Beim Erwärmen auf etwa 97 °C wandelt sie sich in die α–Form um.

Gelegentlich hört oder liest man von einer weiteren Form. Sie heißt Oxalsäure–Hydrat oder Oxalsäure–Dihydrat. Diese Form hat die Summenformel C2H6O6. Eine ausführlichere Halbstrukturformel lautet HOOC–COOH • 2 H2O. Schon an der Summenformel (und noch deutlicher an der Halbstrukturformel) sehen Sie, dass Oxalsäure–Dihydrat eine andere Verbindung (ein anderer Stoff) als Oxalsäure ist. Die Namen klingen ähnlich, mehr nicht. Im folgenden wird es also nur um α–Oxalsäure und β–Oxalsäure gehen,

24.7.6.1. α–Oxalsäure

Fußnote 1 : Daten des Moleküls sind in der Datenbank CSD (L–111) des Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) unter der CCDC–Nummer 1854356 zugänglich. Der Zugang erfolgt über die Webseite des englische Flagge CCDC (dort Access Structures wählen und den Identifier 1854356 eingeben).

Beim Kristallisieren von Oxalsäure aus geeigneten Lösungsmitteln entsteht in der Regel α–Oxalsäure. Da sie leicht herzustellen und einfach aufgebaut ist, wurde sie schon früh untersucht (im Jahr 1952, L–300). Später wurde ihre Struktur mehrfach überprüft, jedoch immer bestätigt. Die Daten für diesen Abschnitt stammen aus L–301 (→ Fußnote 1).

 

Fußnote 1 : Daten des Moleküls sind in der Datenbank CSD (L–111) des Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) unter der CCDC–Nummer 1854356 zugänglich. Der Zugang erfolgt über die Webseite des englische Flagge CCDC (dort Access Structures wählen und den Identifier 1854356 eingeben).

Oxalsäure-Kristall, Ausschnitt

Bild 4 : α–Oxalsäure–Kristall, Ausschnitt. Blick in y–Richtung. Mehr Info im Text. Daten aus L–301. Bildnachweis.

Oxalsäure-Kristall, Ausschnitt

Bild 5 : α–Oxalsäure–Kristall, Ausschnitt. Blick senkrecht auf eine Schicht. Daten aus L–301. Bildnachweis.

In Bild 4 sehen Sie einen Ausschnitt aus dem Kristall von α–Oxalsäure. Sie betrachten den Kristall in Richtung der y–Achse der Elementarzelle. Der Ausschnitt umfasst etwa 40 Moleküle, die ganz oder teilweise zu sehen sind.

Versuchen Sie zuerst, einzelne Oxalsäure–Moleküle zu identifizieren. Jedes Oxalsäure–Molekül hat (→ Bild 2) 2 Kohlenstoffatome, die miteinander verbunden sind. Solche Zweiergruppen finden Sie leicht in Bild 4. Ganze Moleküle bestehen nun aus den 2 Kohlenstoffatomen und den daran gebundenen Sauerstoff– und Wasserstoffatomen.

Nun können Sie das gesamte Bild auf sich einwirken lassen. Schnell fällt auf, dass die Oxalsäure–Moleküle in Gruppen angeordnet sind. Auf dem Bild (mit seiner spezifischen Blickrichtung) verlaufen die Molekülgruppen von oben nach unten. 4 solcher Gruppen sind zu erkennen. Zwischen den Gruppen ist immer ein wenig Platz. Innerhalb der Gruppen liegen die Moleküle dichter. In 2 dieser Gruppen (zum Beispiel der linken und der übernächsten) haben die Moleküle die gleiche Ausrichtung (Orientierung), in den anderen beiden eine andere. Solche Anordnungen sind bei Kristallen aus organischen Molekülen recht häufig.

Die nächste Frage ist, wie diese Molekülgruppen organisiert sind. Hier gibt es 2 häufig vorkommende Varianten. Sie sehen von vorn (in der spezifischen Blickrichtung) auf die Molekülgruppen. Das heißt aber auch, einige Moleküle liegen (im Bild) hinter anderen. In Bild 4 sind es immer 2 oder 3 Moleküle (abwechselnd), die hintereinander liegen. Zwischen diesen hintereinander liegenden Molekülen könnte wieder ein wenig Platz sein, oder auch nicht. Im ersten Fall würden die Moleküle Ketten bilden, im zweiten Schichten.

Man müsste die Szene von der Seite betrachten, um es entscheiden zu können. Eine solche Blickrichtung steht senkrecht auf der von Bild 4. In Bild 5 habe ich das getan. Es zeigt nur eine einzige Molekülgruppe (nicht 4 wie in Bild 4), um nichts zu verdecken. Die 2 bzw. 3 Oxalsäure–Moleküle, die in Bild 4 hintereinander lagen, liegen nun nebeneinander. Und die gezeichneten Oxalsäure–Moleküle haben zu allen Nachbarn den gleichen Abstand. Es sind also keine Ketten vorhanden, sondern Schichten. Diese Schichten sind nicht völlig eben (→ Bild 4), deshalb nennt man sie gewellte Schichten (engl. puckered oder corrugated sheets).

 

24.7.6.2. β–Oxalsäure

Fußnote 2 : Daten des Moleküls sind in der Datenbank CSD (Lit. L–111) des Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) unter der CCDC–Nummer 929771 zugänglich. Der Zugang erfolgt über die Webseite des englische Flagge CCDC (dort Access Structures wählen und den Identifier 929771 eingeben).

Beim Kristallisieren von Oxalsäure unter geeigneten Bedingungen (Sublimieren unter Vakuum gehört dazu) entsteht β–Oxalsäure. Da sie relativ leicht herzustellen und einfach aufgebaut ist, wurde sie schon früh untersucht (bereits im Jahr 1935, L–302). Später wurde ihre Struktur mehrfach überprüft, jedoch immer bestätigt. Die Daten für diesen Abschnitt stammen aus L–303 (→ Fußnote 2).

 

Fußnote 2 : Daten des Moleküls sind in der Datenbank CSD (Lit. L–111) des Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) unter der CCDC–Nummer 929771 zugänglich. Der Zugang erfolgt über die Webseite des englische Flagge CCDC (dort Access Structures wählen und den Identifier 929771 eingeben).

Oxalsäure-Kristall, Ausschnitt

Bild 6 : β–Oxalsäure–Kristall, Ausschnitt. Blick in c–Richtung. Mehr Info im Text. Daten aus L–303. Bildnachweis.

Oxalsäure-Kristall, Ausschnitt

Bild 7 : β–Oxalsäure–Kristall, Ausschnitt. Blick in c–Richtung. Wasserstoffbrückenbindungen sind blau markiert. Daten aus L–303. Bildnachweis.

In Bild 6 sehen Sie einen Ausschnitt aus dem Kristall von β–Oxalsäure. Sie betrachten den Kristall in Richtung der c–Achse der Elementarzelle. Der Ausschnitt umfasst 36 Moleküle, die vollständig zu sehen sind.

Es ist leicht, einzelne Oxalsäure–Moleküle zu identifizieren. Die beiden aneinander gebundenen Kohlenstoffatome jedes Moleküls sind schnell gefunden, die daran gebundenen Sauerstoff– und Wasserstoffatome ebenso. Und ich habe die Perspektive so gewählt, dass die einzelnen Moleküle deutlich voneinander getrennt erscheinen.

Wie bei der α–Oxalsäure (Bild 4) sind auch hier Molekülgruppen zu erkennen. Sie verlaufen (auf dem Bild mit seiner spezifischen Blickrichtung) von links nach rechts. 5 solcher Gruppen sind zu erkennen. Zwischen den Gruppen ist immer ein wenig Platz. Innerhalb der Gruppen liegen die Moleküle dichter. Wieder haben in 3 Molekülgruppen die Moleküle gleiche Ausrichtung, in den anderen beiden eine andere.

Wie bei der α–Oxalsäure stellt sich wieder die Frage nach der Organisation der Molekülgruppen. Ist zwischen den hintereinander liegenden Molekülen einer Gruppe ein wenig Platz, oder nicht ? Bei der α–Oxalsäure war die Antwort „kein Abstand, kein Platz dazwischen”.

Bei der β–Oxalsäure ist die erste Variante realisiert. Zwischen den hintereinander liegenden Molekülen einer Gruppe ist immer ein wenig Abstand, die Moleküle bilden Ketten.

In Bild 7 können Sie sehr deutlich sehen, wie die Ketten zusammen gehalten werden. Die Wasserstoffatome (klein, weiß gezeichnet) liegen direkt gegenüber den Sauerstoffatomen (rot gezeichnet) eines Nachbarmoleküls. Um genau zu sein, sie liegen gegenüber den Sauerstoffatomen, die selbst kein Wasserstoffatom tragen. Somit kann sich zwischen diesem Sauerstoffatom und dem eben genannten Wasserstoffatom eine Wasserstoffbrückenbindung ausbilden. In Bild 7 habe ich alle diese Wasserstoffbrückenbindungen als dünne blaue Striche gezeichnet. In Bild 8 habe ich die Kette von Oxalsäure–Molekülen noch einmal schematisch gezeichnet. Die eben beschriebene Wasserstoffbrückenbindung habe ich dort mit einer großen blauen „2” markiert.

Und es kommt noch etwas dazu. Zwischen zwei β–Oxalsäure–Molekülen verlaufen immer zwei Wasserstoffbrücken. Auch zwischen dem Wasserstoffatom des Nachbarmoleküls und dem gegenüber liegenden Sauerstoffatom des ersten Moleküls kann sich genauso eine Wasserstoffbrückenbindung ausbilden. Sie sehen es in Bild 7. Zwischen 2 Oxalsäure–Molekülen verlaufen dort immer 2 dünne blaue Striche. Und Sie sehen es in Bild 8. Die zusätzliche Wasserstoffbrückenbindung habe ich dort mit einer großen blauen „1” markiert.

Kette von Oxalsäure-Molekülen, schematisch

Bild 8 : Kette von Oxalsäure–Molekülen, schematisch.

Bis jetzt habe ich nur Wasserstoffbrückenbindungen zwischen zwei benachbarten Molekülen beschrieben. Wenn das alles wäre, würden sich Paare von β–Oxalsäure–Molekülen bilden, aber noch keine Ketten. Wir sollten also nicht nur das halbe Molekül betrachten, sondern das ganze. Jedes Oxalsäure–Molekül hat 2 Carbonyl(COOH)–Gruppen, und die Bildung von Wasserstoffbrücken findet auch zum anderen Nachbarn statt, und von dort wieder zum nächsten Nachbarn, bis eine sehr lange (gern sagt man unendlich lange) Kette von Molekülen entstanden ist. Bild 8 zeigt schematisch einen kleinen Ausschnitt aus einer solchen Kette.

24.7.7. Schmelzpunkt

Oxalsäure hat einen Schmelzpunkt von 189,5 °C. Das ist ein relativ hoher Wert, jedenfalls für Stoffe, die aus Molekülen aufgebaut sind und eine so kleine relative Molekülmasse wie Oxalsäure haben. In Bild 9 habe ich einmal die Schmelzpunkte einiger Stoffe mit einer vergleichbaren relativen Molekülmasse zusammengestellt. Sie sehen, dass Oxalsäure mit seinem ungewöhnlich hohen Schmelzpunkt die Außenseiterrolle spielt.

Skala mit Schmelzpunkten

Bild 9 : Schmelzpunkte einiger Stoffe mit einer relativen Molekülmasse zwischen 80 und 100 g/mol. Farbcodierung : anorganische Stoffe, organische Stoffe, Oxalsäure. Daten aus L–103.
Um die –100 °C sammeln sich eine große Zahl unpolarer Stoffe, wenig darüber Stoffe, die nur wenig polar sind. Es sind gleichermaßen anorganische und organische Stoffe. Bei höheren Temperaturen (etwa –10 °C bis 20 °C) findet man Stoffe, deren Moleküle starke Dipolkräfte oder Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Im Vergleich zu diesen hat Oxalsäure einen ungewöhnlich hohen Schmelzpunkt, es ist ein Ausreißer auf der Skala.
Bemerkung 1 : Weitere Ausreißer sind Tetrafluormethan und Ethyl–propyl–ether (nach unten) und Cyclohexan (unpolar). Deren Verhalten muss separat erklärt werden (in Kapitel xxx – demnächst).
Bemerkung 2 : Die eingezeichneten Stoffe stellen nur eine kleine Auswahl dar.
Bemerkung 3 : Die exakten Zahlenwerte der Schmelzpunkte finden Sie in Tabelle 3.

Was ist der Grund für diesen hohen Schmelzpunkt ?

In Kapitel xxx (über Schmelzpunkte) habe ich darauf hingewiesen, dass ein Stoff schmilzt, wenn seine thermische Energie größer ist als die Bindungsenergie. Zum Schmelzen von Oxalsäure ist also viel thermische Energie nötig (sonst würde sie bei niedrigeren Temperaturen schmelzen), und das heißt, dass die Bindungsenergie hoch ist.

Warum ist die Bindungsenergie in Oxalsäure hoch ?

Die Antwort ist einfach. Sehen Sie sich Bild 8 an. Von jedem Oxalsäure–Molekül gehen 4 Wasserstoffbrückenbindungen aus. Die sind zwar energieärmer als die kovalenten Bindungen innerhalb des Moleküls (sie haben nur, ganz grob gesehen, etwa 10 % von deren Energie, → Kapitel 5.11.), aber es sind 4 Stück. Zusammen haben sie etwa halb so viel Energie wie eine kovalente Bindung. Und beim Schmelzen muss siese Energie aufgebracht werden. Die nötige Temperatur ist hoch, 198,5 °C bei Oxaksäure.

Tabelle mit Schmelzpunkten

In Bild 9 werden Schmelzpunkte einiger Stoffe graphisch dargestellt. Zur Überprüfung finden Sie hier die exakten Zahlenwerte, die ich für Bild 9 benutzt habe. Alle Daten von Tabelle 3 sind aus L–103.

Tabelle 3 : Schmelzpunkte einiger Stoffe (Bild 9)
Stoff Formel relative
Molekülmasse
in g/mol
Schmelzpunkt
in °C
Polarität
(Einschätzung)
Tetrafluormethan CF4 88 –183,5 unpolar
Ethyl–propyl–ether C5H12O 88 –127,5 fast unpolar
n–Hexan C6H14 86 095,3 unpolar
Dichlormethan CH2Cl2 85 095,1 praktisch unpolar
Toluol C7H8 92 094,9 unpolar
Bromwasserstoff HBr 81 086,8 sehr schwach polar
Essigsäureethylester C4H8O2 88 083,6 wenig polar
1–Pentanol C5H12O 88 078,9 schwache H–Brücke
Chlortrifluorid ClF3 92 076,3 wenig polar
Butansäure C4H8O2 88 005,7 H–Brücken
Cyclohexan C6H12 84 –006,6 unpolar
Schwefelsäure H2SO4 98 –010,3 viele H–Brücken
Schwefeltrioxid SO3 80 –016,8 starke Dipolkräfte
1,4–Butandiol C4H10O2 90 –020,1 mehrere H–Brücken
Oxalsäure C2H2O4 90 189,5 Netz von H–Brücken

Tabelle 3 : Schmelzpunkte einiger Stoffe, nach steigendem Schmelzpunkt geordnet. Daten aus L–103.

 

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